Zugangspunkte finden

Startseite Magazin Postmarktliberalisierung in Liechtenstein
Zurück zur Übersicht

Postmarktliberalisierung in Liechtenstein

Interview mit dem Verwaltungsratspräsident der Liechtensteinische Post AG

Dr. Jan Remmert ist seit Juli 2017 Verwaltungsratspräsident der Liechtensteinischen Post AG. Hauptberuflich ist er Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Marktentwickler.ch GmbH mit Schwerpunkt Marketing und Pricing.

Wieso wird bzw. muss der Postmarkt liberalisiert werden?

Als Mitglied des EWR muss das Land Liechtenstein die Richtlinie 2008/6/EG (Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste) umsetzen. Das ist verbindlich und liegt nicht in der Entscheidungsgewalt jedes einzelnen Mitgliedstaates.

Die Richtlinie stammt aus dem Jahr 1997 mit späteren Anpassungen und hat zum Ziel, postalischen Wettbewerb über die Landesgrenzen hinweg zu fördern. Der freie Markt soll dabei in möglichst vielen Bereichen ursprünglich staatlich organisierte Aktivitäten übernehmen. Dabei hat auch eine Rolle gespielt, dass nicht in jedem Land die staatlichen Postmonopole qualitativ und preislich so funktioniert haben, wie man sich das gewünscht hat.

Dieser Prozess dauert ja schon sehr lange. Wieso gab es diese Verzögerungen?

Die Richtlinie sah eine Liberalisierung in den EU-Mitgliedstaaten bis spätestens Ende 2012 vor. Die Verzögerung in Liechtenstein hat zwei Gründe. Zum einen erfolgen die Liberalisierungsschritte in Abstimmung mit den anderen Ländern, in denen es noch heute ein Monopol gibt. Z.B. in Island und Norwegen gab es den ein oder anderen Beschluss zu fällen bis zur Abschaffung des Monopols. Zum anderen ist ein solcher Prozess nicht ganz ohne Aufwand. Den wird man nur prioritär in Kauf nehmen, wenn es ein konkretes Problem zu lösen gibt. Ich glaube sagen zu können, dass die Leistungen der Liechtensteinischen Post AG kein solches Problem darstellen. Die Zustellqualität ist hoch, die gemessene Kundenzufriedenheit ebenfalls, die Preise für Briefe bewegen sich auf unterdurchschnittlichem europäischem Niveau, das Filialnetz ist eines der dichtesten in Europa und die Post agiert eigenwirtschaftlich.

Hat sich die Liechtensteinische Post AG an der Ausarbeitung der Gesetzesvorlage beteiligt?

Es gab vor allem technische Abstimmungen mit dem Amt für Kommunikation. Uns war es auch ein Anliegen sicherzustellen, dass das neue Gesetz postspezifische Fragen zu Themen wie dem Umfang des Universaldiensts, dessen Finanzierung und Qualitätsanforderungen so beantwortet, dass wir die Aufgabe der Universaldienstverpflichtung bei potenzieller Konkurrenz sinnvoll erfüllen können.

Hat die Liechtensteinische Post AG bei der Vernehmlassung des Gesetzes eine Stellungnahme abgegeben?

Wir haben die Gelegenheit genutzt, auf die besondere Situation des Landes Liechtenstein bezüglich Grösse und der engen Verknüpfungen zum schweizerischen Postmarkt hinzuweisen. Dabei sind uns vor allem drei Punkte wichtig:

  1. Gleich lange Spiesse gegenüber Wettbewerbern zur Vermeidung von Rosinenpicken. Es ist vermutlich nicht im Sinn der Liberalisierung, wenn kostengünstiges Massengeschäft vom privaten Wettbewerb übernommen wird und kostenintensive Leistungen beim staatlichen Anbieter des Universaldienstleisters verbleiben, dem Handlungsspielraum bei distanzunabhängigen Preisen fehlt.
  2. Flexible, technologieneutrale Ausgestaltung der Universaldienstvorgaben entsprechend der Kundenbedürfnisse und der Anforderungen des Landes.
  3. Stabile Finanzierung des Universaldienstes. Hier geht es uns um solche Kosten, die nicht über den Ertrag aus der Erbringung des Universaldienstes gedeckt sind. Die Post braucht für die Erbringung des Universaldienstes die Sicherheit einer Finanzierung eines potenziellen Defizits aus der Erbringung des Universaldiensts.

Bis wann wird das neue Gesetz plangemäss in Kraft treten?

Aktuell ist die erste Lesung des Gesetzes im Landtag vom Oktober geplant. Mit einer Umsetzung ist für die erste Hälfte 2023 zu rechnen.

Welche Auswirkungen hat diese Postmarktliberalisierung für das Land Liechtenstein?

Vielleicht muss man noch einmal kurz festhalten, dass der Paketmarkt und auch Teile des Briefmarktes schon lange vollständig liberalisiert sind und es nur noch um die Aufhebung des Monopols für Briefsendungen bis 50 Gramm geht. Betrachtet man die Entwicklung in Ländern, in denen das Briefmonopol schon länger aufgehoben wurde, muss man davon ausgehen, dass sich für Privatkunden nichts ändert. Man kennt aus Italien ein zweites Briefeinwurfnetz und Anbieter, für deren Nutzung man jeweils unterschiedliche Briefmarken kaufen muss. Der Vorteil für die Privatkunden hält sich in recht engen Grenzen.

Für Geschäftskunden ist es hingegen durchaus denkbar, dass andere Anbieter in den Markt Liechtenstein eintreten. Gelingt diesen das oben angesprochene Rosinenpicken, ohne dass die Liechtensteinische Post AG reagieren kann, wird für das Land die Frage nach der Finanzierung des Universaldiensts konkret.

Welche Auswirkungen hat die Postmarktliberalisierung für die Liechtensteinische Post AG? Welche Vorteile und welche Nachteile bringen dieses neue Gesetz?

Man muss zwei Aspekte unterscheiden, die gesetzliche Grundlage und den Markt.

Die Aufgabe der Post ist es, in allen Landesteilen ein qualitativ hochstehendes postalisches Leistungsangebot zu attraktiven und distanzunabhängigen Preisen anzubieten. An dieser Aufgabe ändert sich auch mit dem neuen Gesetz nichts. Das Monopol diente dazu, diese Aufgabe zu finanzieren. Mit dem neuen Gesetz über die Post- und Paketzustelldienste (PPG) ändert der Finanzierungsmechanismus. Nur falls es nicht mehr gelingt, eigenwirtschaftlich die Grundversorgung zu erbringen, wird sich die konkrete Auslegung des Gesetzes zeigen.

Was den Markt angeht, steht das Briefgeschäft seit Jahren in Konkurrenz zu digitalen Alternativen. Daran ändert auch die Liberalisierung nichts. Bei einem Markteintritt einer anderen Zustellorganisation entsteht für die Liechtensteinische Post AG eine weitere Herausforderung. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen bestimmen massgeblich, wie erfolgreich wir dieser begegnen können. Gleichzeitig hat die Liberalisierung den Vorteil, dass wir unsere Leistungsfähigkeit im direkten Vergleich zur Konkurrenz zeigen können. Darauf freuen wir uns. Die gerne geäusserten Vermutungen über den «gemütlichen Monopolbetrieb» haben keine Grundlage mehr.

Vielen Dank, Dr. Jan Remmert, für das Interview.