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Stiftung zukunft.li

Interview mit THOMAS LORENZ, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft.l

Herr Lorenz, was ist die Stiftung Zukunft.li und welches sind ihre Ziele?
Zukunft.li ist ein unabhängiger und liberaler Think Tank, der 2014 gegründet wurde. Unser Ziel ist es, Themen aus der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik aufzuarbeiten, die wir für die nachhaltige Entwicklung und Zukunftssicherung Liechtensteins für relevant erachten.

Sie betonen, dass die Stiftung unabhängig ist. Wie sind Sie denn finanziert?
Die Stiftung Zukunft.li wird von der Förderstiftung Zukunft.li finanziell getragen. Die Förderstiftung erhält Zuwendungen von Privatpersonen und Unternehmen, welche letztlich der Finanzierung der Aktivitäten dienen. Die Finanzierung erfolgt ausschliesslich privat, es werden also bewusst keine öffentlichen Gelder eingesetzt

Dann werden aber die Geldgeber doch Einfluss nehmen wollen?
Durch die Aufteilung in zwei Stiftungen wird die Finanzierung strikt vom inhaltlichen Bereich getrennt. Dies gilt auch für die Stiftungsräte: Im Stiftungsrat der Stiftung Zukunft.li darf kein Finanzierer Einsitz nehmen und er agiert damit unabhängig. So können wir unser Ziel erreichen, ausschliesslich gestützt auf Fakten Empfehlungen auszusprechen. Dass diese den Meinungen der Finanzierer widersprechen können, ist Teil des Konzeptes und belegt die inhaltliche Unabhängigkeit der Stiftung

Solche Finanzierungszusagen sind doch sicherlich befristet. Für wie lange sind Sie finanziert?
Die erste Finanzierungsrunde lief fünf Jahre und deckt noch das laufende Jahr ab. Der Stiftungsrat der Förderstiftung beschäftigt sich derzeit mit der Sicherung der Finanzierung für den Zeitraum 2020 bis 2024. Dabei wird ein Fokus darauf gesetzt, die Stiftung durch eine breitere Finanzierung noch stärker in der Gesellschaft zu verankern. Erfreulich ist, dass die meisten bisherigen Finanzierer auch bei der zweiten Runde mit dabei sind. Dies zeigt offensichtlich, dass die Arbeit der Stiftung von den Finanzierern geschätzt wird.

Mit welchen Themen haben Sie sich seit der Gründung befasst?
Die bisher bearbeiteten Themen zeigen die Vielfalt auf, die auch Liechtenstein prägt. Die erste Studie beschäftigte sich mit dem Finanzausgleich zwischen dem Land und den Gemeinden. Die zweite Publikation beleuchtete Chancen und Gefahren der Öffnung der Grenzen für ausländische Arbeitskräfte. Konkret: Welche volkswirtschaftlichen Konsequenzen wären mit einer Öffnung verbunden?

Und, was haben Sie festgestellt?
Unsere Simulationen zeigen, dass das Bevölkerungswachstum grösser wäre als das dadurch ausgelöste Wirtschaftswachstum. Dadurch sinkt das Bruttonationaleinkommen pro Kopf. Deshalb empfehlen wir die Beibehaltung der heutigen Lösung.

Dies ist ein ökonomisches Thema. Konzentrieren Sie sich auf diesen Bereich?
Nein, im Gegenteil. Der Themenbereich umfasst die gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Wir haben uns auch mit der Finanzierung der Alterspflege, der Raumentwicklung, den Gemeindestrukturen oder der Freiwilligenarbeit in der Pflege und Betreuung von alten Menschen auseinandergesetzt. Dabei lässt sich oft auch keine scharfe Trennlinie zwischen ökonomischen und gesellschaftlichen Aspekten ziehen. Diese Vielfalt macht unsere Arbeit sehr erfüllend. Wir haben dabei den Anspruch, Herausforderungen aufzuzeigen und Empfehlungen für Lösungsansätze auszusprechen.

Die Stiftung Zukunft.li gibt es nun seit fast fünf Jahren. Haben Sie die gesetzten Ziele erreicht?
Wir haben Diskussionen ausgelöst und damit relevante Themen ins Bewusstsein gerückt. Natürlich streben wir aber an, dass letztlich auch konkrete Massnahmen gesetzt werden, um die aufgezeigten Herausforderungen zu bewältigen. An diesem Punkt der Umsetzung ist dann allerdings die Politik gefordert. Sie muss den «Ball aufnehmen», wenn sie unsere Analysen als relevant und die Empfehlungen als verfolgenswert erachtet. Ganz aktuell hat unser allererstes Thema – der Finanzausgleich – durch eine Vernehmlassungsvorlage der Regierung gerade Fahrt bekommen. Ein gutes Beispiel dafür, dass politische Prozesse auch die notwendige Geduld erfordern

Vom Arbeitsmarkt zur Raumentwicklung

robot arms assembling cars on a automated assembly line

Die Digitalisierung wird die Art, wie wir arbeiten, nachhaltig verändern. Roboter werden viele Tätigkeiten übernehmen, nicht nur in der Produktion und Fertigung, sondern auch im Büro. Der Mensch wird sich neue Aufgaben suchen müssen, sonst droht ihm die «digitale Arbeitslosigkeit»

So oder ähnlich tönt es in viele Berichten über die Zukunft der Arbeit. Was bedeutet dies aber konkret? Und was sind die möglichen Folgen für die Gesellschaft und die Wirtschaft in Liechtenstein? Diesen Fragen geht Zukunft.li in ihrer Publikation «Fokus Arbeitsmarkt – Fit für die Zukunft?» nach. Dabei wird eines klar: Die Digitalisierung beeinflusst den Arbeitsmarkt schon seit Jahren. Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften nimmt zu. Dagegen nimmt die Beschäftigung bei qualifizierten Berufen – also bei Personen mit «nur» einem Lehrabschluss – ab. Dies zeigt: Ständige Weiterbildung und Weiterentwicklung ist schon heute wichtig und wird in Zukunft noch an Bedeutung zunehmen. Denn die Wirtschaft ist vermehrt auf Spezialisten angewiesen, um die sich bietenden Chancen der Digitalisierung zu nutzen

Lebenslanges Lernen als Normalfall
Somit haben alle am Arbeitsmarkt Beteiligten ein Interesse, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Die Arbeitnehmer müssen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten fit für den Arbeitsmarkt machen oder zumindest fit bleiben. Dabei wird Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitsort eine grössere Rolle spielen als heute. Die Arbeitgeber sind gefordert, ihre Mitarbeitenden beim lebenslangen Lernen zu unterstützen, um sich damit die notwendigen Fachkräfte für die Zukunft zu sichern. Denn unternimmt ein Arbeitgeber nichts, riskiert er, sich mangels entsprechender Fachkräfte nicht am Markt halten können.

Pendlerströme als Herausforderung
Liechtenstein hat gleich viele Arbeitsplätze wie Einwohnende und ist deshalb auf Zupendelnde angewiesen. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmenden – das sind über 22‘000 Personen – kommen deshalb jeden Tag aus dem Ausland nach Liechtenstein, um hier zu arbeiten. Eine der negativen Kehrseiten dieser Entwicklung ist das ständig steigende Verkehrsvolumen. Denn zusätzlich zu den Zupendelnden pendeln über 10‘000 Personen innerhalb Liechtensteins von einer anderen Gemeinde an ihren Arbeitsplatz. Zudem verlassen 2‘000 Personen jeden Tag Liechtenstein, um im Ausland zu arbeiten. Damit sind mindestens 34‘000 Personen jeden Tag unterwegs an ihren Arbeitsplatz – und dies zu 75% mit dem Auto
Die Folgen zeigen tägliche Verkehrsstörungen zu den Spitzenzeiten am Morgen und am Abend an den Rhein- und Grenzübergängen. Auch wenn diese Störungen heute vielleicht als noch nicht gravierend wahrgenommen werden, kann die Belastung bald einen kritischen Punkt erreichen. Alleine in den Jahren 2017 und 2018 wurden über 3‘000 neue Stellen in Liechtenstein geschaffen. Bei einer abgeleiteten «Auto-Quote» für den Arbeitsverkehr von 75% bedeutet dies ca. 2‘200 zusätzliche Fahrzeuge pro Tag – ein markantes Wachstum bei einem sowieso schon überlasteten System. Was ist die Folge? Der Verkehr verteilt sich stärker über das ganze Land. Während in der Vergangenheit hauptsächlich die zentralen Verkehrsinfrastrukturen (Rheinbrücken Vaduz, Schaan und Bendern) vom Verkehr belastet wurden, war in den vergangenen Jahren das Wachstum bei den Übergängen Ruggell und Balzers am höchsten. Die stark frequentierten Bereiche werden also gemieden und umfahren

Für Einwohner und Arbeitskräfte attraktiv bleiben
Dies hat vor allem zwei Folgen: Erstens nimmt die Belastung durch den Verkehr in Wohngebieten zu, was Auswirkungen auf die Lebensqualität hat. Deshalb werden auch Stimmen laut, die eine Begrenzung des wirtschaftlichen Wachstums in Liechtenstein fordern. Dies kann in einer liberalen Wirtschaftsordnung keinesfalls der richtige Ansatz sein. Allerdings müssen die negativen Folgen des Wachstums aktiv bearbeitet und so weit wie möglich reduziert werden. Den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Einführung eines Mobility Pricings in den Spitzenzeiten sehen wir dafür als adäquate Massnahmen

Zweitens können zunehmende Verkehrsprobleme dazu führen, dass Liechtenstein für zupendelnde Arbeitskräfte an Attraktivität verliert. Auf diese ist die Wirtschaft aber dringend angewiesen. Die Situation wird dadurch verschärft, dass die Babyboomer-Generation in den nächsten Jahren in Rente geht und eine markante Angebotslücke auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt. Alleine diese Lücke zu füllen wird bereits eine Herausforderung für den Arbeitsmarkt darstellen.

Abgestimmte und umfassende Vorgehensweise notwendig
Sowohl der Arbeitsmarkt wie auch die Verkehrspolitik stehen vor Herausforderungen. Dabei zeigt sich, dass diese nicht isoliert voneinander gelöst werden können, da sie gegenseitig aufeinander wirken. Ein weitsichtiges und aufeinander abgestimmtes Vorgehen ist deshalb notwendig, damit Liechtenstein für seine Einwohnerinnen und Einwohner als Lebensraum und für ausländische Spezialisten als Arbeitsort attraktiv bleibt. Gelingt dies, kann Liechtenstein positiv in die Zukunft blicken